Dabeisein ist alles? Facebook und der Olympische Gedanke.

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Es gibt Sätze, die wurden so oft ver­wendet, dass man hin und wieder nach­sehen muss, ob daran nicht ein wenig Rost zu finden ist. »Wer nicht drin ist, ist draußen.« ist so ein Satz. Oder auch »Dabei sein ist alles«, ein Satz, der ge­mein­hin als »Olympischer Gedanke« gilt und Pierre de Coubertin zugeschrieben wird – obwohl er diesen Satz nie sagte.

Es war bei den Olympischen Spielen 1908 in London, als britische und amerikanische Sprinter heftig diskutierten, wer denn nun den 400-Meter-Lauf gewonnen habe. Cou­bertin sagte an diesem Tag: »Das Wich­tig­ste bei den Olympischen Spielen ist nicht zu Gewinnen, sondern daran teil­zu­nehmen.«

»Ohne Gewinn ist alles nichts«, sagt hingegen Josef Ackerman, von dem eigentlich auch nichts anderes zu erwarten ist. Von Matthias Sammer schon, aber auch ihm wird das Zitat zugeschrieben »Außer gewinnen ist alles nichts.«

Der Satz »Dabei sein ist alles« erhielt in diesen Tagen für mich eine andere Bedeutung, als ich die von eMarketer veröffentlichen Ergebnisse einer Studie von Microsoft Advertising und Advertiser Perceptions las. Das Gleiche gilt für den Satz »Ohne Gewinn ist alles nichts« nach der Lektüre eines FAZ-Artikels, getitelt mit »Klicks sind keine Währung für die Werbung«.

75% der Unternehmen meinen, auf Facebook präsent sein, reicht aus.

In der im Juli 2011 durchgeführten Studie wurden Social-Media-Vermarkter in sechs Ländern auf der ganzen Welt befragt. 74% der Befragten gaben an, es sei sehr wichtig eine Präsenz auf Facebook haben, aber nur 57% meinten es sei wichtig, dort auch Werbung zu betreiben. Bei Twitter sind die Zahlen und auch die Unterschiede geringer: 47% der Befragten sagten, es wäre wichtig, auf Twitter präsent zu sein. Aber hier dachten mit 42% fast ebenso viele der Befragten, es sei auch wichtig auf Twitter zu werben.
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Viele Befragte (72%) meinten, es wäre zu kompliziert, den »Return on Investment« zu bestimmen. Oft wurde bemängelt, dass die »Fans« der Unternehmensseite nicht der eigentlichen Zielgruppe entsprächen. Insgesamt schien die Zufriedenheit nicht überbordend hoch. Der Grund hierfür ist nach meiner Meinung im oben angesprochenen »Olympischen Gedanken« zu suchen, der den Unternehmen durch viele Medien, aber auch vielen »Social Media Beratern« vermittelt wird. Auch Facebook selbst tut eine Menge dazu. In einem FAZ-Artikel heißt es dazu:

Um die kleinen und mittleren Unternehmen auf die Plattform zu locken, verteilt Facebook in Kürze Werbegutscheine für 10 Millionen Dollar, um den Einstieg zu erleichtern. Bisher haben 9,2 Millionen kleine Unternehmen eigene Seiten auf Facebook. Diese Zahl soll schnell aufgestockt werden.

»Wer nicht drin ist, ist draußen« heißt die Botschaft. Also muss man »drin« sein, ohne sich viel Gedanken darüber zu machen, warum. Wer nicht von selbst drauf kommt, der wird »gelockt«. Grund für das Engagements auf Facebook ist dann eben ein »Werbe­gut­schein« statt einer durchdachten »Social Media Strategie«. Erinnert Sie das auch an die »50 EURO Google-Ads-Gutscheine«, die von diversen Hostern als Lock­an­gebote aus­ge­geben werden?

Facebook ist der Gewinner, die Unternehmen die Verlierer.

Basis für »Klicks sind keine Währung für die Werbung« ist ein Interview mit der Werbechefin von Facebook Carolyn Everson in der FAZ, das der “Netzökonom” Holger Schmidt veröffentlicht (oder sogar geführt?) hat. Obwohl die Aussage sicher anders gemeint war, gibt sie die Haltung von Facebook doch ganz gut wieder.

„Facebook hat erst 1 Prozent seines Weges geschafft. Das gilt auch für unser Werbesystem”, sagt Carolyn Everson, die Werbechefin des sozialen Netzwerk. Das eine Prozent wird immerhin für geschätzte 3,8 Milliarden Dollar Werbeumsatz in diesem Jahr und mehr als eine Milliarde Dollar Gewinn reichen.

Und wie ist das mit den Unternehmen, in ersten Linie den kleinen, die Facebook mit »Werbe­gut­scheinen« locken will? Sie eMarker-Studie oben, oder wie die FAZ schreibt: »Allerdings wenden sich auch erste Unternehmen wieder von Facebook ab, weil die Klicks auf ihre Werbung sehr gering sind und echte Unterhaltungen mit den „Fans” nicht zustande gekommen sind.« Aber auch da hat Frau Everson eine Antwort parat:

„Wir sehen Klicks nicht als die Werbewährung an. Die Industrie ist viel zu stark darauf fokussiert. Das, was Menschen über ein Produkt sagen, ist viel wichtiger als ein Klick; eine Empfehlung eines Freundes ist viel stärker als jede Werbung.”

Aha, Klicks auf Werbung – oft der erste Schritt zum Verkauf – sind nebensächlich? Empfehlungen sind wichtiger? Das sollten wir genauer ansehen: Mussten diese Empfehlungen früher aktiv abgegeben werden, sind sie nun automatisiert. So der Plan, den Facebook auf seiner Entwicklerkonferenz f8 vorgestellt hat. Wer ein Musikstück in einer der neuen Apps hört, teilt dies künftig automatisch seinen Freunden mit. Mit aller Offenheit, die man bei Facebook ja sonst schmerzlich vermisst, sagt Frau Everson dazu: »Wir wollen verstehen, was unsere Nutzer auf der Plattform tun, und Produkte darum herum bauen.« Welche Produkte und für wen? Natürlich solche, die Facebook verkaufen kann.

Erinnern Sie die Sätze von Pierre de Coubertin und Josef Ackermann? Wer hat denn nun recht? Beide, meine ich. Für Facebook gilt »Ohne Gewinn ist alles nichts«. Für die Unternehmen bleibt dann, wenn sie nicht auf eine eigene, gut durchdachte und oft kostengünstigere Strategie im Facebook-Marketing setzen, sondern nur auf die »Facebook-Produkte« zurückgreifen, nur der Olympische Gedanke »Dabei sein ist alles«.

 

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