Wie schreibt man für Menschen, die nicht wirklich lesen?

Wie schreibt man für Menschen, die nicht wirklich lesen?

Ist es Ihnen eigentlich bewusst, dass die meisten der Besucher Ihre Inhalte nicht wirklich lesen? Untersuchungen des Leseverhaltens zeigen über Jahre hinweg immer wieder, dass die Aufnahme von Informationen im Web wenig mit dem zu tun hat, was Sie normalerweise unter dem Begriff »Lesen« verstehen.

Auch neueste Untersuchungen von Mediative zeigen, dass die Augen der Leser in einem Großteil der Zeit ziellos über die mühsam verfassten Inhalte irren — immer auf der Suche nach Fixpunkten, die ihre Aufmerksamkeit wecken. Ian Everdell, Manager User Experience und Forschung bei Mediative, charakterisiert unser aller Leseverhalten so:

Das interessanteste Ergebnis von Eye Tracking-Untersuchungen ist: Wenn wir lesen, lesen wir nicht wirklich. Wir verbringen wahrscheinlich etwa 80 Prozent unserer Zeit mit dem Scannen der Webseiten.

Das goldene Dreieck

Heat-Map einer Eye-Tracking-Studie

Google hat das Nutzerverhalten auf den Ergebisseiten seiner Suche (SERP) sorgfältig studiert. Bereits 2009 hatte ich eine Untersuchung von Google zur Usability der SERP vorgestellt. Wie Websites ‘gelesen’ werden, wird mit der Eye Tracking-Technologie bestimmt. Dabei werden die Pupillen­bewegungen der Leser verfolgt und die punktuelle Verweildauer in einer Heat-Map dargestellt.

Web-Nutzer scannen die Seiten in einem “F”-Muster — das heißt, der Schwerpunkt liegt in der oberen linken Seite des Bildschirms. Die Augen wandern dann horizontal nach rechts und dann nach und nach auf die untere linke Seite. Mit gutem Willen kann man in diesem Muster auch ein Dreieck erkennen — es hat sich daher der Begriff »Golden Triangle« eingebürgert.

Sie haben 12 bis 15 Zeichen, um einen Fixpunkt zu bieten

Das Leseverhalten ist kein Ausdruck von Ungeduld — es ist eine grundlegende Über­lebens­stra­tegie. Jeder Besucher wird täglich mit riesigen Mengen an Infor­mationen bombardiert. Machen Sie es ihnen einfacher und bieten Sie Fixpunkte, auf den die Augen der Leser sich festhalten können. Ian Everdell:

Am Anfang einer Überschrift, einer Zwischenüberschrift oder eines Absatzes sehen die Leser maximal 12 bis 15 Zeichen — Sie lesen noch nicht einmal einen ganzen Satz und nicht immer sechs Worte, bei zwei oder drei Worten sind Sie auf der sicheren Seite.

Die rechte Seite der Website — das haben Sie sicher erkannt — hat eine nur unter­ge­ordnete Bedeutung. Das heißt jedoch nicht, dass sie überflüssig wäre: Bringen Sie dort die Informationen unter, die für Leser interessant sind, die Sie mit den primären Inhalten an die Seite gefesselt haben.

Verhalten ist vorhersehbar

Wir surfen im Internet in einem vorhersagbaren Muster. Jakob Nielsen, der Altmeister der Usability-Forschung hat bereits Mitte des letzten Jahrzehnts den entscheidenden Hinweis für das Schreiben von Inhalten geliefert:

Der bestimmende Faktor für die Nutzbarkeit von Inhalten ist, wie die Benutzer online lesen – weil die Menschen anders lesen, müssen Sie anders schreiben.

Inzwischen haben sich die Lesegewohnheiten zwar nicht grundlegend geändert, visuelle Inhalte (Fotos, Grafiken) haben jedoch einen höheren Stellenwert.

Was können Sie tun?

Folgende Tipps zum Brechen des F-Musters haben sich herauskristallisiert:

  • Warum ist Googles Authorship so wichtig? Denken Sie an das F-Muster. Menschen registrieren das, was zuerst kommt — und wenn das ein optisches Element ist, wirkt es doppelt.

  • Überschriften sind online extrem wichtig. Sie sind die Bezugspunkte auf Ihrer Webseite. Halten Sie Überschriften kurz, sie sollten in eine Zeile passen. Kommunizieren die Überschriften die wesentlichen Inhalte?
  • Textzitate sind mehr als grafischer Füllstoff. »Sie erzeugen Aufmerksamkeit, beleuchten wichtige Punkte und verleihen den Inhalten einen unverwechselbaren Stil.« Sie können auch helfen, große Blöcke zu brechen und das Scannen von Informationen erleichtern.
  • Markierungen oder Fettschrift ist ein Weg, um die Essenz Ihrer Inhalte hervor zu heben. Zu häufige Markierungen konterkarieren die Bemühungen, gehen Siesparsam mit Markierungenum.
  • Betten Sie Links und Verweise in die Texte ein. Hyperlinks bieten Sie Ihren Besuchern einen schnellen Zugriff auf ergänzende Inhalte.
  • Dass visuelle Inhalte wie Fotos oder GrafikenEye-Catchersind, ist unbestritten. Überraschend ist jedoch das Ausmaß: Eine Studie von Skyward stellte fest, dass die durchschnittliche Anzahl der Seitenansichten (Views) eines Artikels mit einem Bild 94% höher war, als jene ohne Bild. Auch wenn der Wert sehr hoch erscheint, im Kern ist die Aussage richtig.

Haben Sie es bis hierher geschafft?

Vermutlich haben Sie diesen Blog-Beitrag gescannt oder gescimmt — wie es die meisten Leser tun. Ich muss es akzeptieren. Möglicherweise haben Sie dennoch die eine oder andere Anregung mitnehmen können. Oder Sie haben eigene Vorschläge oder Ergänzungen. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Tipps. Die Wege kennen Sie ja: Kommentieren Sie hier oder auf Facebook, Google+ oder Twitter.

 

 

Weiterführende Links

Eye Tracking Web Usability Study Reveals the “Golden Triangle”
Wie Benutzer im Web lesen
Eye-tracking tech watches what you read online

Bilder: Eyetools, ishp Consulting

 

4 Kommentare

  1. Guter Beitrag, obwohl das Ergebnis so sein muss. Sonst würden unsere Gehirne wohl einen Kurzschluss kriegen. Die Informationsflut, mit der man heute zurechtkommen muss, ist anders auch nicht zu bewältigen. Allerdings nervt es, zu wissen, dass das auch bei wichtigen Informationen passiert umd der kollege oder chef deine mail nicht bis zum ende gelesen hat…das für und wider der
    Selektive Wahrnehmung

    • Herbert Peck

      Genau so ist es, den überwiegenden Teil der Inhalte kann man nur scannen. Um so wichtiger ist es dann, Inhalte “scannable” aufzubereiten.

  2. Sehr guter Artikel und sehr interessant geschrieben. Usability ist eh ein Thema, welches bei vielen Webseiten “unten durchrutscht”, dabei ist es für jeden, der Geld mit seiner Seite verdienen will, ratsam sich einmal mit einem Usability-Labor in Verbindung zu setzen und anhand von unabhängigen Probanten die Seite oder sein Produkt checken zu lassen.

    Auch wichtig ist die Frage der Symbole: Welche gängigen Symbole werden genutzt auf Webseiten, z.B. für Warenkörbe in Shops oder für “Beiträge schreiben”. Viele Symbole sind so eingängig und allgemeingültig geworden, dass man hier durch Piktogramme zusätzliche Eye-Catcher schaffen kann.

  3. Pingback: KW 14/2013 – Vergessen Sie B2B, B2C & C2C, weil Menschen mit Menschen reden | Social Media Business

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